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AMSEL-Porträt: „Wenn andere den Koffer mittragen, ist es leichter“

Nicht nur die MS-Erkrankung hat „tausend Gesichter“, auch die Wege, mit ihr umzugehen, sind vielfältig. Die seelische Widerstandskraft, auch Resilienz genannt, spielt dabei eine große Rolle. Wer ein gutes Netzwerk hat, sein Leben selbstbewusst gestaltet und positiv in die Zukunft blickt, kann der MS gestärkt begegnen. So wie Margarete, die ein AMSEL-Web-Seminar zum Thema Resilienz bei der AMSEL besuchte und dadurch erkannte, dass sie viele Dinge bereits unterbewusst richtig macht.

Immer unterwegs

Margarete hat eine ungewöhnliche Therapie für ihre MS: Sie geht auf große Reisen. Als sie 2002 im Alter von 51 Jahren – zwei Jahre nach ihrer MS-Diagnose – für drei Wochen nach China reisen wollte, bestärkte sie ihr Neurologe in dem Vorhaben. Für den Fall eines Schubs gab er ihr Cortison-Tabletten mit. Die MRT-Untersuchung nach der Reise ergab ein besseres Ergebnis als zuvor. Das Gleiche nach einem Aufenthalt in Peru. Fazit des Arztes: „Reisen Sie, das tut Ihnen gut!“. Die 70-jährige pensionierte Steuerbeamtin kaufte sich einen dreirädrigen Elektroscooter, der zusammengeklappt ins Fluggepäck passt und zum Beispiel bei Stadtbesichtigungen gute Dienste leistet. Auf Ausflügen benutzt ihr Mann gern einen zweiten Scooter, beide lassen sich leicht im Pkw verstauen. Unterwegs sein, sich bewegen und engagieren waren schon immer die Prinzipien der Schreinertochter aus dem Nordschwarzwald.

Ihr Vater hatte eine eigene Werkstatt, in der auch ihre Mutter im Büro tätig war. So lernte sie früh, für sich selbst zu sorgen und Dinge eigenständig zu entscheiden. Nach einigen Berufsjahren beim Finanzamt kümmerte sie sich um ihre zwei Töchter, zwölf Jahre später stieg sie mit 50 Prozent Arbeitszeit wieder ein. Nebenher spielte sie 26 Jahre lang in einer Müttergruppe Märchentheater für Kindergärten, Grundschulen und Senioreneinrichtungen.

Abstand gewinnen und sich Gutes tun

Ihre MS-Geschichte begann im Jahr 2000 mit einer Sehnerventzündung. Nach der Diagnose bemerkte sie lange Zeit die Krankheit kaum. Inzwischen ist der Verlauf fortschreitend. Durch zunehmende Schwäche in Beinen und Gleichgewichtsstörungen ist Margarete jetzt immer mit Stöcken unterwegs. Im Zuge einer Erbschaft muss sie sich seit 2015 mit den Behörden auseinandersetzen und ihr EDSS-Wert hat sich, vielleicht auch bedingt durch den Kummer, deutlich verschlechtert. Von Anfang an pflegte die heutige Großmutter von fünf Enkelkindern den Kontakt zur AMSEL. Sie besuchte viele Seminare und Vorträge und zog Kraft aus den Gesprächen mit anderen MS-Erkrankten. „Ich habe schnell gemerkt, dass bei mir die Psyche immer eine große Rolle spielte. Wenn ich einen Schub hatte, konnte ich das meist auf eine belastende Situation im Vorfeld zurückführen“, erinnert sie sich.

Das AMSEL-Web-Seminar zum Thema Resilienz bestätigte Margaretes Gefühl. „Ich war aber erleichtert zu erfahren, dass ich im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen schon einiges richtig gemacht habe“, schmunzelt die resolute Dame. „Ich mache mir keine Sorgen, bevor es wirklich sein muss; ich versuche, in schwierigen Phasen erst einmal Abstand vom Problem zu gewinnen; und ich achte darauf, was mir guttut“, resümiert sie. So hat sie ein Jahresabo beim örtlichen Fitnessstudio und trainiert dort fast täglich von 21 bis 23 Uhr, um ihre Kraft zu verbessern. Und in anstrengenden Phasen genießt sie draußen eine Tasse Kaffee bevor die nächste Entscheidung ansteht.

Margarete hat es geschafft, in ihrem Leben bei allen Höhen und Tiefen die Grundsätze der Resilienz umzusetzen. Wichtigste Erkenntnis ist, dass man die Dinge nicht allein bewältigen muss, sondern sich Unterstützung holen darf. Und: Es kommen immer wieder bessere Zeiten. Ganz sicher.

>> Broschüre zum Thema Resilienz

Quelle: AMSEL-Magazin together, 03.21

Redaktion: AMSEL e.V., 21.04.2022